Und so sind wir von Hamar los gelaufen, einen ungefähren drei Tagesplan im Gepäck. Mit dem Reiseführer hat man immer einen guten Überblick über alle Etappen, möglichen Alternativen und kann dadurch auch variieren. Bei einem wärmeren Wetter würde sich das Zelten auch viel mehr anbieten, aber bei den aktuellen und noch kommenden Temperaturen, ist man froh sich um bestimmte Dinge weniger Gedanken machen zu müssen und sich auf andere Bereiche zu fokussieren. Daher noch einmal ein großes Lob an die Herausgeberin Hanna Engler und Conrad Stein Verlag. Auch wenn nicht mehr alles zu 100% aktuell ist; Schließungen von Herbergen, neue Telefonnummern oder ähnliches; kann man sich hiermit einen sehr großen organisatorischen Teil ersparen. Persönlich ist mir die wirklich sehr genaue Wegbeschreibung zu viel, da der Weg zu 80% sehr gut ausgeschildert ist, zu 15% gut und lediglich 5% des Weges Nachholbedarf haben. Bei diesen 5% bietet der Verlag aber auch GPX-Datein an, in denen die Etappen als GPS-basierte Routen hinterlegt sind; inklusive Höhenprofilen, Höhenmeter, Laufzeit und Entfernung.
Doch auch mit all diesen Informationen gelingt es uns nur selten in eine der begehrten Kirchen Eintritt zu erlangen. Wir sind schlicht und ergreifend zu spät im Jahr unterwegs. Da die Kirchen durch ehrenamtliches Engagement organisiert werden und im September gefühlt in ganz Norwegen alles komplett winterfest gemacht wird, ist es schon auch verständlich wenn auch sehr schade für uns. Den wenigstens tagsüber könnten diese geöffnet sein. Somit sind wir auch nicht in den Prachtbau von Veldre der „Veldre Kirke“ gekommen. Lediglich ein kleiner Gebetsraum bleibt den Pilgern unverschlossen zugänglich. Da uns dies nun schön öfter passiert ist und meistens auch wenig bis gar kein gutes Fotomaterial der wunderschönen Kirchen existiert, habe ich mir angewöhnt von allen Kirchen 360 Grad Innenaufnahmen anzufertigen und diese dann später bei Google Maps hochzuladen. Somit haben dann zukünftige Pilger wenigsten die Chance sich den Innenraum über eine digitale Plattform anschauen und ich mich mit meiner neuen Kamera ausprobieren zu können. Insgesamt waren die Kirchen eher verschlossen an denen wir vorbeikamen, aber einige Kirchen wie zum Beispiel die „Ringsaker Kirke“, „Furnes Kirke“ oder „Lillehammer Kirke“ konnten wir von innen bestaunen und genießen.
Nach Veldre wanderten wir neben sehr vielen Feldern und landwirtschaftlichen Betrieben entlang, kauften uns eine Schale Himbeere, machten an Bänken Rast und gingen durch die Stadt Moelv, in der wir beim Intersport zwei gute Isomatten und Rettungsdecken kauften. Moelv liegt am größten Binnensee Norwegens, dem Mjøsa, genau wie Tangen, Hamar, Brumundal und Lillehammer durch die wir hindurchgegangen sind oder übernachtet haben. Es ranken sich verschiedene Mythen und Geschichten um diesen See, er überflutet Dörfer und Städte nach starken Regenfällen und viel Schmelzwasser. Er wurde von den Wikingern genauso genutzt wie von christianisierten Handelsleuten und allzeit als Lebensquelle und großer Wirtschaftsfaktor gelebt und genutzt.
Unsere neu erworben Isomatten in Moelv stellten sich als absolut wertvoll und effektiv heraus, was viralem Caro’s Wohlbefinden im Zelt steigerte und meines natürlich auch. Wir Zelten ab und zu, meist nach und vor einer Herberge oder Unterkunft. Für sanitäre Anlagen, Dusche, fließend Wasser und andere kleine Annehmlichkeiten wussten wir dann umso mehr zuschätzen; dass nebenbei lernt man auf solch einer Reise natürlich meistens. Generell sind die Kontraste zwischen Zelten, unbewirtschafteter Hütte; mit und ohne Strom/fließend Wasser; sowie den einzelnen Herbergen meist sehr groß. Es gibt liebevolle Herberge die einem verwunschenen Pilgerparadies gleichen und Hütten die gefühlt Abstellkammern von Familien sind; mit Dingen die sie nicht mehr brauchen/haben wollen; meist lieblos und ungepflegt. Hier sind uns einfache und spartanische Hütten ohne viel Schnickschnack am liebsten. Ankommen und einfache und robuste Möbel vorfinden, Kochmöglichkeit, Wasser in 100 m Umkreis und im besten Falle Strom. Mehr braucht es eigentlich nicht. Denn es soll auch nicht jede Nacht 30€ nur für ein Bett kosten, damit ist den meisten Pilgern nicht geholfen. 10€ und das notwendigste vor Ort, passt! Viele Selbstversorgerhütten arbeiten auf Vertrauensbasis, dass heißt diejenigen welche es instand halten werden angerufen und geben Bescheid ob die Hütte frei ist oder schon belegt, dann hinterlässt man diese wie vorgefunden und legt den vereinbarten Obolus in die Kasse. Leider haben wir dies auch schon wenigstens zwei Mal erlebt, das Mitreisende bewusste (oder im Stress vergessen) nicht bezahlt haben. So kann man sich das Herbergen-Sterben dann auch teilweise zusammenreimen. :/
In jeder Hütte gibt es ja immer ein Gästebuch, in dem wir schauen wer vor uns ist und hinterlassen uns folgenden Reisenden und den Besitzern ein paar schöne Worte mit unseren Eindrücken. So kommt es das man auch irgendwann einmal Pilger einholt und diese dann auch persönlich trifft oder man eingeholt wird und man sich dann über geschriebenes und erlebtes austauscht. So wussten wir zum Beispiel das ein paar Tage vor uns eine 20 Personengruppe unterwegs ist und wir zum Glück mit ihnen nicht konfrontiert werden. Oder das Hans-Peter hier auch übernachtet hat oder was so schönes man an manchen Orten erleben kann.
In Lillehammer waren wir in einem Hostel, welches auch für die Unterkunft für die Pilger ist, mit 10% Rabat. Hier haben wir wieder viele Menschen auf einmal getroffen. Zum Beispiel Maurus und Johanna im Aufenthaltsraum/Küche, Maurus war auch bei mir im Zimmer zusammen mit einem anderen der mich die halbe Nacht mit seinem extrem lauten Schnarchen wach gehalten hat. Mit Maurus und Johanna haben wir jedoch zusammen eingekauft, gekocht und den Abend verbracht. Maurus reist wie wir über den Olavsweg und Johanna macht in ihren Ferien kurze Trips in Norwegen und schaut sich vieles an. Da sie nächsten Tag auf den Weg nach Trondheim war, witterten wir die Chance und haben ihr ein paar Dinge mitgegeben die sich doch als ungenutzt herausstellten; ein paar Kilo kamen da schon zusammen. Mit Maurus haben wir auch noch eine Weile über den Weg erzählt, mögliche Routen usw. und wir mussten uns noch eine gute Stelle überlegen, an der Caro ihr Bewerbungsgespräch über FaceTime oder Skype haben könnte. Wir schönen also ein paar Möglichkeiten, Kilometer und Zeiten hin und her und versuchten dies mit dem Wetterbericht abzugleichen. Als wir dann schließlich über Stock und Stein gegangen sind, tausende von Zauntreppen erklommen haben und durch den Regen von außen und innen nass geworden sind, haben wir uns bei der Unterkunft „Skåden Gård“ um kurz nach zwei auf eine der dortigen überdachten Terrassen gesetzt, uns kurz ausgeruht, ein kleines Türmchen für das Handy gebaut und dann hat Caro ein fast 45 Minuten langes gut laufendes Gespräch gehabt. Sie hat den Praktikumplatz angeboten bekommen. Yes! Dann hieß es für uns noch weitere 6,7 km weiter zu gehen. Dort trafen wir dann wieder auf Glenn, die schon vor uns dort war und abends dann schließlich kam er auch Maurus am in der selben Unterkunft an wie wir; Stalsbergsvea und das jedoch sehr spät (22:00) und fing dann noch an zu kochen und rumzuwirbeln. Später erfuhren wir das dies wohl bei ihm öfter passiert ist. Am nächsten Tag zelteten wir in einem Waldstück nahe eines Campingplatzes. Das aufbauen des Zeltes geht mittlerweile schneller und effektiver. Caro hat einen guten Blick für die waagerechte Linie entwickelt, was in einem Wald ohne ebenen Boden nicht ganz ohne ist. Nachts knackte und raschelte es im Wald, leider sieht man nicht so viel durch die blickdichte Zeltplane und wir wollten immer noch einen Elch sehen. Morgens tropfte es gemütlich auf unsere Zeltplane, und da wir das im Wetterbericht schon gelesen hatten, nahmen wir uns Regenkleidung und Frühstück schon am Abend vorher mir ins Zelt. Da unser Zelt nicht groß genug ist um beiden großen Rucksäcke noch mit hinein zunehmen, lagerten wir diese mitsamt den Schuhen unterm Zelt. Wir hofften das diese dort ausreichend trocken bleiben würden und wer hätte es gedacht, am nächsten morgen gab es ein trockenes Dreieck unter unserem Zelt. Das Zelt mussten wir natürlich später noch trocknen und verpackten wieder alles. Unser nächster Zeltplatz sollte diesmal eine ganz besondere Begegnung werden. Nach etlichen Kilometer und kaum einer Aussicht auf einen gemütlichen Schlafplatz in der Nähe des Olavsweges, gingen wir beherzt auf einen alten Bauernhof und wollten fragen ob wir dort übernachten dürften. Wir sahen von der Straße aus ein schönes Fleckchen Wiese welches wir gerne nutzen wollten. Und wie es dann so kam, verstanden sie wenig englisch, wir wenig norwegisch aber die Herzlichkeit kam denke ich von beiden rüber. Wir durften ohne Probleme auf Ihrem Rasen übernachten; was zugleich der erste Test für unser fliegendes Zelt auf dem Boden war, mir ist es dann zu eng und klein.
Auf dem Hof, welcher seit 1850 im Familienbesitz war und damals durch eine Auktion erstanden wurde, lebten Björn (62 oder 72) und Björk (92), die Mutter von Björn und mit ihren 92 top fit am Rasenmähen und Treppensteigen. Abends brachten sie uns noch jedem ein kleines Stück Pizza, was eine sehr schöne Geste war. Am nächsten morgen wollten wir nur kurz fragen ob wir die Toilette benutzen dürften und würden mit einem kleinen Frühstück überrascht. Die erste Frage nach dem die Tür aufging war Kaffee oder Tee und schon saßen wir am gedeckten Frühstückstisch. Wir bestanden dann noch auf einem schnell improvisierten Gruppenfoto und verabschiedeten uns mit gefüllten Bäuchen, ausgeruhten Füßen und schönen Erinnerungen.